SEVERIN SPENGLER / VIKTORIA STRECKER

Alma Winter

11. Jul – 13. Sep 2020

Foto: Markus Georg Foto: Markus Georg Alma Winter Foto: Markus Georg


ALMA WINTER
SEVERIN SPENGLER IN KOOPERATION MIT VIKTORIA STRECKER
11.07.2020 – 13.09.2020

In Zeiten, in denen die physische Pufferzone zwischen Menschen immer größer wird,
während die digitale Vernetzung dichter zu werden scheint, ist der Topos der Ausstellung ALMA WINTER, die ursprünglich vor den Einschränkungen des Kulturbetriebs aufgrund der Corona Pandemie verwirklicht werden sollte, umso aktueller.
Im Zentrum der ersten Einzelausstellung von Severin Spengler und Viktoria Strecker steht ihr Gemeinschaftsprojekt die raumumfassende Installation Alma Lunik Dea Longituda. In dieser Licht-, Sound- und Raumskulptur setzen sich die angehenden Meisterschüler von Marcel Odenbach der Kunstakademie Düsseldorf mit der Technisierung unserer Umwelt und der Dezentrierung des Individuums auseinander.
Die Skulptur besteht aus mehr als 40 gebrauchten Mikrowellen, die in einem raumfüllenden Stahlraster wie in einer Kultstätte neben-, hinter- und übereinander angeordnet sind. In den einzelnen Mikrowellenherden befinden sich Kristallgläser mit destilliertem Wasser, die auf den Drehtellern der Herde kreisen.
Das Gerüst besteht aus den Stahlträgern eines ehemaligen Gewächshauses und den Schutzgitterstäben eines Kiosks. Auf den Fundamenten ursprünglicher Versorgung und vermeintlicher Sicherheit entsteht die Alma Lunik Dea Longituda, die Göttin der Kurzwelle, der Mikrowellensonnengott. Da auch unsere Smartphones wie die Mikrowelle auf der Technik der Kurzwelle basiert, wurde von Spengler und Strecker die Alma Lunik als materialisierte Metapher eines bedrohlichen unsichtbaren Apparats erschaffen. Somit wird den „Jüngern der Smartphonekultur“ - die nach unten schauen und scheinbar wie Gotteswort in einer Bibel den Befehlen ihres Handys huldigen - eine echte Gottheit entgegengestellt. Dabei symbolisiert die Mikrowelle ebenso eine schnelle (Nahrungs-)Versorgung, verspricht vermeintliche Liebe und Austausch auf Knopfdruck und hinterfragt unser Konsumverhalten mit der Überlegung, ob lauwarmes Essen und Emoji-bestückte Fernkommunikation qualitativ das echte Kochritual und die tatsächliche zwischenmenschliche Begegnung wirklich ersetzen. Diese kritischen Überlegungen sind in den letzten Monaten während der Corona-Pandemie nur umso relevanter geworden.
Das Altargerüst wurde an die Raumverhältnisse der Galerie angepasst und vor Ort zusammengeschweißt. In der Remise umfasst es acht Etagen mit einem schmalen Tunnel in der Mitte, durch den der Betrachter in die Skulptur und weiter zur restlichen Ausstellung wandern kann.
Diese besteht im Kontrast zu der raumumfassenden Installation aus der visuellen Manifestation des ausgehenden Winters 2020 aus einem Kleingarten in Köln Dellbrück. Dieser wurde von Spengler 2017 als Selbstversorgerprojekt und Experimentierfeld initiiert. Die in der Ausstellung gezeigten Wintercollagen sind eine Assemblage von fotografierten Objekten, Oberflächen und Farbeindrücken bzw. der genau dort vorgefundenen Blatt-, Blüten- und Pflanzenarten: Ein plastisches und konserviertes Archiv eines vermeintlich schwindenden Ereignisses einer ehemaligen regulären Jahreszeit.
Ergänzt durch Einzelpositionen der Künstler und der gemeinsamen Arbeit Zimmerflucht/unter Tapete gehen Spengler und Strecker in der Ausstellung Alma Winter mit ihrem Kooperationsprojekt aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen nach, regen zum Nachdenken und zur Selbstreflektion an, ohne dabei jedoch didaktisch zu werden.

Severin Spengler hat im Studium zunächst seinen medialen Schwerpunkt in der Videokunst vertieft. Seine Videos beschreiben Orte in ebenso purer wie präziser Dokupoetik, die den transzendenten Charakter der Landschaft aufzeigt und wertschätzt. Heute arbeitet er medienübergreifend und verfolgt in langfristigen Projekten eine Haltung, die von ihm selbst authentisch und selbstreflektiert gelebt wird.

Viktoria Strecker arbeitet mit dem Medium Zeichnung und der dreidimensionalen Übersetzung in Skulpturen und Rauminstallationen. Aus verschiedenen Materialien entwickelt sie ein Vokabular, das Möglichkeiten der Materialisierung einer zeitlosen Universalsprache erforscht.

Spengler und Strecker leben und arbeiten in Köln.