JULE TABEA MARTIN

"too close for comfort" FINISSAGE, 03.06.2023, 19-22h

22.04.2023 – 03.06.2023


  
Protection VI (Hyperfemininity), 2023

Die Galerie KWADRAT freut sich außerordentlich die neusten Arbeiten der Künstlerin Jule Tabea Martin zum ersten Mal in einer Einzelausstellung präsentieren zu dürfen.


Jule Tabea Martin
„TOO CLOSE FOR COMFORT“

Jule Tabea Martin studierte Bildende Kunst an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und an der Univer-sität der Künste in Berlin bei Monica Bonvincini. Sie hat außer-dem einen Master-Abschluss in Kunstgeschichte der Sorbon-ne-Universität Paris und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Die Galerie KWADRAT freut sich außerordentlich ihre aktuellen Arbeiten zum ersten Mal in einer Einzelausstellung präsentieren zu dürfen.

Lange, künstliche Fingernägel überziehen die Formen von Rin-gen und Eiern. Mit Perlen und Nailart-Stickern verziert oder mit Lack gefärbt und auf bronzene Sockel gesetzt, erscheinen die Eier als kostbare Gegenstände, die Erinnerungen an die aufwändig gestalteten Fabergé-Eier aus dem 19. Jahrhundert wecken. Die künstlichen Fingernägel umschließen die zerbrechliche Schale der Eier wie ein Schutzschild. Zugleich verhindert die Oberfläche aus spitz zulaufenden Nägeln den Zugriff auf die Objekte. Je mehr sich die Betrachter:innen den Eiern und Ringen nähern, desto stärker offenbart sich die Ambivalenz dieser ästhetischen Objekte. Von den spitzen Fingernägeln geht eine Verletzungsgefahr aus. Ihre Funktion als Schutz und Verteidigung ist so fragil wie das Material der Eierschale und der langen Nägel. Stets lauert die Gefahr, dass sie brechen.

Das allgegenwärtige Biohazard-Symbol, das uns meist auf kleinen Plastiktüten begegnet, wird in den Zeichnungen zum Element einer mittelalterlichen Sakralarchitektur. Erst bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass das zeitgenössische Zeichen subtil in die Rosette der gotischen Glasfenster integriert wurde. Das Biohazard-Symbol ist ebenso wie die sinnbildlichen Darstellungen der mittelalterlichen Kirchenfenster zum Bestandteil des alltäglichen Lebens geworden. Es verweist auf eine Pandemie, die die Welt destabilisiert hat sowie auf die potenziellen Gefahren und Notlagen, die zukünftig in einer globalisierten, Klimakrisen-geprägten Welt entstehen werden. Das Wissen um die Fragilität gesellschaftlicher und politischer Systeme und die Sorge um deren Zusammenbruch hinterlassen einen anhalten-den Eindruck der Bedrohung und der Unsicherheit.

Jule Tabea Martin verknüpft in ihren Werken unterschiedliche visuelle und inhaltliche Elemente miteinander. Sie erweisen sich nicht bloß als ästhetische Objekte, sondern enthüllen zunehmend eine zugrunde liegende ambivalente dystopische und destruktive Symbolik. Weder göttlicher Beistand noch Verteidigungsmaßnahmen scheinen Lösungen gegen das Gefühl der Bedrohung zu sein. Vielmehr wird mit dem ästhetischen Bildvokabular der Künstlerin eine Warnung ausgesprochen, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich diesen Unsicherheiten zu stellen.

Bettina Löwen (Kunsthistorikerin)