JENNIFER OELLERICH

OMBROPHOBIA

23. Apr – 11. Jun 2022

Wir freuen uns außerordentlich in der neuen Ausstellung "OMBROPHOBIA" die aktuellen Arbeiten von Jennifer Oellerich zu präsentieren. Herzliche Einladung zur Ausstellungseröffnung am Samstag den 23. April, 19-22h in der Galerie KWADRAT.
Wir freuen uns sehr auf Euren Besuch.


In der Dunkelkammer der Jennifer Oellerich

Die Kunst von Jennifer Oellerich ist verwurzelt in der Pleine-Air-Malerei und einer Frühform der Fotografie, dem Fotogramm. Wobei sie nicht Gegenstände auf lichtempfindliches Material legt, damit schwarz-weiße Abbilder dieser Gegenstände entstehen, sondern sie bereitet Oberflächen so vor, dass sich Schnee und Regen in diese einschreiben können. Oellerich arbeitet nicht ‚nach der freien Landschaft‘, sondern sie hat den Pinsel beiseite gelegt hat, um Natur selbst in eine künstlerische Arbeit zu übertragen. Sie sucht auratische Momente des Natürlichen zu erkunden, diese in sinnlich erfahrbare Erscheinungen zu übertragen. Schnee, Regen, und gelegentlich Feuer sind ihre ‚Zeichenutensilien‘, und sie überträgt die Ergebnisse ihrer Kunst auf Tintenstrahldruck, auf Kupfer, Keramikfliesen oder in Bitumenlack. Was wiederum ein schöner Querverweis zur Fotografie ist, denn die erste Fotografie von Joseph N. Niépce gelang auf der Grundlage von lichtempfindlichem Asphalt, der 8 Stunden lang belichtet werden mußte. Und Asphalt ist eng verwandt mit Bitumen.
Grundsätzlich üben Naturelemente wie Schnee, Regen, Feuer, eine tiefe Faszinationskraft auf die Künstlerin aus. Allerdings ist es schwierig, diese überhaupt künstlerisch fassbar zu machen, sind sie doch flüchtige Erscheinungen, die nur kurz existieren, und kaum geschehen, schon wieder verschwinden. Es waren Fotografen, die sich früh auf die Spuren dieser Naturphänomene machten, um ihnen durch Abbildung auf die Schliche zu kommen. Doch war es ein Zufall, durch den 1879 die erste Fotografie eines Schneekristalles entstand, weil sich im Winter eine Schneeflocke auf eine zu belichtende Platte des Fotografen J. H. L. Flögel gesetzt hatte. Trotz der intensiven Beschäftigung mit natürlichen Phänomenen geht es Oellerich nicht um Aufklärung durch Erkenntnisgewinn: sie sucht in den rätselhaften Momente des Verschwindens eine Zielvorgabe für ihre Kunst. Es reicht ihr aber nicht, dieses Verschwindende einfach nur abzubilden, denn das haben bereits viele Wissenschaftler vor ihr getan, sondern es wird von ihr in ein künstlerisches Ereignis verwandelt. Anders als Fotografen, die mit Detailaufnahmen von Naturphänomenen zum Erkenntnisgewinn der Menschheit beitragen, arbeitet sie daran, diese kaum wahrnehmbaren Phänomene in Kunst zu verwandeln. Das ist keine leichte Sache. Untergründe müssen geschaffen werden, die Schnee oder Regen im Moment ihres Verschwindens aufzunehmen vermögen, und anschließend muss diese Sekundenbruchteilaufnahme eines Verlöschens in ein dauerhaftes Bild oder - später - in ein dauerhaftes Objekt verstetigt werden. Dazu braucht es speziell hergestellte Untergründe und Materialien, welche es Oellerich gelang, in langen Phasen experimentellen Suchens herzustellen. Ihre Kunst stellt sich nicht einfach so her, sondern Oellerich bereitet den Grund, auf dem diese überhaupt erblühen kann.
Kraftlinien von Oellerichs Arbeit weisen auch hin auf die des französischen Künstlers Yves Klein, der mit reinen Farben arbeitete, vergoldeten Flächen, mit den Elementen Luft und Feuer. Ihn interessierte vor allem das Immaterielle. Er schrieb: „Zuerst ist da das nichts, dann ist da das absolute Nichts, und darauf folgt die blaue Tiefe.“ Das Immaterielle ist aber für Oellerich ein kleines
Moment des Glücks. Es wird von ihr eingefangen und in eine sinnliche Erfahrung verwandelt. Oellerich arbeitet allerdings nicht im Dunkeln, sondern hauptsächlich tagsüber. Nur die Herstellung der Untergründe, auf denen sie Schnee und Regen einfängt, bleibt ihr dunkles Geheimnis.
(Michael Freerix, 2022)